Auf dieser Seite werden Cookies und andere Technologien genutzt. Cookie - Konfigurationsbox öffnen 1.364 km entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze: 67 - Von Herrnburg nach Dassow

67 - Von Herrnburg nach Dassow

 Die heutige Wanderroute (23 km - 343 Höhenmeter)


Der Wandertag entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze beginnt am Bahnhof Herrnburg, in Mecklenburg-Vorpommern.
Herrnburg, und damit auch der Bahnhof, lag zu DDR-Zeiten teilweise im Sperrgebiet und war dadurch von seinem natürlichen Umfeld abgeschottet. So verwundert es nicht, dass in diesem Ort direkt nach dem Krieg nur etwa 500 Menschen lebten. Nach der Deutschen Einheit entstanden rasch mehrere Wohngebiete, sodass heute die Bebauung nahezu nahtlos an das der Stadt Lübeck vorgelagerte Eichholz in Schleswig-Holstein anschließt.
Getrennt werden beide Orte nur durch den Verlauf des Landgrabens, der früher wie heute gleichzeitig die Ländergrenze bildet, und das in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Grenze verlaufende "Grüne Band".

Vom Bahnhof, an dem nichts auf die ehemalige Grenzsituation hinweist, läuft man fast einen Kilometer entlang der Hauptstraße nordwärts Richtung Lübeck bis zu einem Kreisel. Dort hält man sich links und gelangt so nach weiteren 200 m zur ehemaligen Grenze. Die Straßenverbindung Lübeck - Eichholz / Herrnburg wurde wieder am 16.12.1989 geöffnet; zuerst nur für den Personenverkehr, ab 11.1990 auch für den Pkw-Verkehr.
Die ehemalige westdeutsche "Abschrankung" kann man im Museum der Bundespolizeiakademie Lübeck besichtigen.

Otterwechsel

Auch dort, wo sich im obigen Bild (Richtung Eichholz blickend) etwa der PKW befindet, verlief die Grenze. Heute erinnert nichts mehr an die Tatsache, dass an dieser Stelle einmal der Weg mit einer Warnbarke abgesperrt war und man in einiger Entfernung auf der ostdeutschen Seite direkt auf einen Beobachtungsposten der DDR-Grenzsoldaten sehen konnte.


Der "Grenzzaun", den man im nahen Uferbereich des Landgrabens noch sehen kann, dient allein dem Otterschutz.
Nach der Installation der ostdeutschen Grenzsperreinrichtungen (der Übergang war noch bis zum 15.05.1952 geöffnet) wurde 1960 auf westdeutschem Gebiet sogar eine Nachbildung des Brandenburger Tores errichtet. Es trug die Inschrift: "Macht das Tor auf". 1967 wurde es von Windböen erfasst, zerstört und nicht wieder aufgebaut.
Ein Schild am westdeutschen Ende der ehemaligen Straße von Lübeck-Eichholz nach Herrnburg wurde  mit der Inschrift errichtet: "Wir sind ein Volk" bzw. "Einigkeit und Recht und Freiheit für das Deutsche Vaterland" stand allerdings weiter bis zur Grenzöffnung am 16.12.1989. 
Der bei Herrnburg stehende Beobachtungsturm (ein „BT 11“ - von Eichholz sehbar) wurde am 04.01.1990 abgerissen.
Wie gesagt: heute erinnert an diesen "Grenz-Ort" nichts mehr, der bis 1989 von vielen Westdeutschen aufgesucht wurde, um einmal einen Blick nach "Drüben" zu werfen.

Manfred Krellenberg hat die Grenzöffnung zwischen Lübeck-Eichholz und Herrnburg (im Dezember 1989) im Film festgehalten.  ==> https://www.youtube.com/watch?v=optGr0M0RvA ↗

Von der Brücke über die ehemalige Grenze läuft man auf dem selben Weg, den man gekommen ist, etwa 100 zurück, um links in den Waldweg einzubiegen. Man befindet sich dann wieder auf dem ehemaligen Kolonnenweg, dem man nun für gut 3 Kilometer folgen kann.

ehemaliger Kolonnenweg

Nach etwas mehr als der halben Strecke passiert man einen Gedenkstein aus Granit für Siegfried Apportin (* 30. November 1930; † 2. Juli 1950). Der Wachtmeister der Volkspolizei war der erste Grenzschützer der DDR, der von einem "Deserteur" der Grenztruppen, Leo Knöpke, erschossen wurde. 

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, wie man das nächste Teilstück weiter wandert. Beide sind in etwa gleich lang.
Wer möchte, folgt dem Kolonnenweg bis zu einem Rechtsknick, der den Grenzwanderer zur Bundesstraße 104 bringt. Hier biegt man links ab und folgt der Bundesstraße etwa 400 m, um erneut in den Kolonnenweg nach rechts abzubiegen.
Die andere Alternative ist: man bleibt im Wald und nimmt vor dem Rechtsknick des Kolonnenweges den Weg nach links, der durch die im Mittelalter errichtete "Lübecker Landwehr" hindurchführt, die sogenannte Schwedenschanze, deren Bezeichnung jedoch keinerlei historische Bedeutung hat. Die Landwehr in diesem Bereich besteht aus drei parallel verlaufenden tiefen Gräben mit jeweils Erdwällen rechts und links. Eine Hinweisstafel vor Ort informiert über "Die Schwedenschanze".
Wenn man diesen Weg eingeschlagen hat, verlässt man mit Überqueren des Landgrabens Mecklenburg-Vorpommern und kommt unweigerlich auch vor zur Bundesstraße 104. 
Abkürzungen, die nicht über einen offiziellen Weg führen würden, sollte man in diesem Gebiet tunlichst vermeiden.

Grenzöffnung

Lebensgefahr

Mit der Überquerung der Bundesstraße 104 betritt man die Gemarkung des Ortes Schlutup; in nordöstliche Richtung führt der Weg "Am Teich" zwischen Bahnhofsgebäude (links) und Mühlenteich (rechts) vor bis zur Mecklenburger Straße, der man 400 m nach rechts folgt. So kommt man zur links der Straße liegenden und besuchenswerten "Grenzdokumentations-Stätte"↗ in Schleswig-Holstein.
Einen virtuellen Rundgang durch das derzeitige Ausstellungsgebäude findet man unter diesem Link:

Grentdokumentations-Stätte

Grenzdokumentations-Stätte

An dieser Stelle wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges ein internationaler Grenzübergang eingerichtet. Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer strömten über die nördlichste Grenze, die am 15. Mai 1947 von der russischen Armee geschlossen wurde, aber am 01. März 1960 von der DDR-Führung wieder eröffnet wurde.
Am 09. November 1989 wurde dieser Grenzübergang als erster der DDR geöffnet.

Halt-Grenze

Im ehemaligen Zollhaus der Grenzabfertigung, das der Bund 1999 "günstig" an die Stadt verkaufte, werden derzeit die Räume neben der Grenzdokumentationsstätte auch vom AWO Jugendtreff genutzt, das sich "Zoll-Haus" nennt.

ZOLL-HAUS

Wenn man der Mecklenburger-Straße folgt, findet man rechts ein erstes von mittlerweile 23 Hinweisschildern zu den Situationen im ehemaligen Grenzbereich. Diese Stelen wurden auf Initiative von Angela Radtke aus Dassow seit 2015 entlang der ehemaligen Grenze aufgestellt. Sie sollen die Geschichte am jeweiligen Standort beschreiben und gleichzeitig erklären, welche Gebäude oder ganze Siedlungen es nicht mehr gibt und wie die Menschen mit der Grenze lebten. 

Info Selmsdorf

Etwa 200 hinter dem Informationsschild kreuzt der ehemalige Kolonnenweg die Bundesstraße. Ihm folgt man nun nach links für gut 2,4 Kilometer durch den Wald. 

Waldweg

Am Ende des Weges, an einer T-Kreuzung, wendet man sich nach rechts und erreicht nach gut 1,2 Kilometern wieder die Bundesstraße 104. Links befindet sich ein italienisches Restaurant.

La Madonnina

Restaurante

Nach bisher 13,2 gewanderten Tageskilometern wäre es eine schöne Raststelle, wenn ..

Wir machen urlaub

Nur gestärkt "aus dem Rucksack" muss man sich weiter auf den Weg Richtung Dassow machen, die hier "Straße der Freiheit" lautet.

nach Dassow

Straße der Freiheit

Nach 300 m biegt man rechts in die "Lübecker Straße" ein und wandert so durch das Ortszentrum von Selmsdorf und entlang der "Parkanlage Selmsdorf" weiter bis man erneut auf die Bundesstraße B 104 trifft. An der Kreuzung geht man geradeaus weiter, zunächst seitlich auf der viel befahrenen "Straße der Freiheit" , später auf einem die Bundesstraße B 105 begleitenden asphaltierten Radweg.

Das Grüne Band bei Zarnewez
Das "Grüne Band" zwischen Sülsdorf und Zarnewenz

Im linken Bereich zwischen der Bundesstraße B 105 und der Trave, sowie etwas weiter auch am Dassower See, wurde zu DDR-Zeiten, insbesondere ab der Einrichtung des verstärten Grenzsicherungssystems, der aufkommende natürliche Bewuchs künstlich niedrig gehalten, um freie Sicht zu haben. Nicht nur Hecken und Bäume wurden deshalb gerodet, sondern auch "störende Anwesen" abgerissen.
Nach etwa 1,5 Kilometern erreicht man die Kreuzung zu dem Ort Sülsdorf, der früher  - wie fast alle Ansiedlungen auf dem folgenden Wege Richtung Dassow -   innerhalb des DDR-Grenz-Sperrgebiets lag. Er war damit Repressionen, Zwangsumsiedlungen und der Passierscheinpflicht unterworfen. Nach weiteren 2,3 Kilometern erreicht man die rechts einmündende Dorfstraße von Zarnewenz.

Karte Zarnewenz

Info Zarnewenz
Zarnewenz  -  die 18. Info-Säule des Projekts
„Grenzenlos von Lübeck bis Boltenhagen“.

Neben dem Radweg erfährt man auf einer im Dezember 2019 aufgestellten Infotafel detailliert das "Schicksal" der Einwohner des Dorfes Zarnewenz. So wird beispielsweise vom 1822 erbauten Wohnhaus im klassizistischem Stil an der "Lübecker Chaussee" berichtet. Ferner gab es einen "Krug" und sogar ein "Strandhotel". In diesem nahen Grenzbereich wurde aber auch 1952 die "Aktion Ungeziefer" durchgeführt und im Rahmen der Grenzsicherung dann diese Gebäude abgerissen.

Folgt man dem Radweg links neben der Bundesstraße B 105 weiter, kommt man an einer weiteren  besonders geschichtsträchtigen Stelle vorbei. Hier steht die Informationstafel Siechenhaus.

Info Siechhaus

Auch hier erfährt der Interessierte folgende Hintergrundgeschichte.
“Die unweit der Staatsgrenze der DDR und der damaligen Fernstraße 105 gelegene, 469 Jahre alte, im neugotischen Stil errichtete Backsteinkapelle wurde am 10. Januar 1973 auf Anordnung des Rates des Kreises Grevesmühlen gesprengt, weil sie „Anziehungspunkt" für Personen sein kann, die sich unter Missachtung der Grenzordnung dort aufhalten können.
Unweit der Siechenkapelle stand das Siechenhaus. Seine Geschichte reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Ursprünglich wurden in dem abgelegenen Haus Aussätzige gepflegt. Später waren dort auch
mittellose Menschen untergebracht. Ab 1835 diente es als Stall und Vorratshaus. In den 1950er Jahre wurde es abgetragen. 1972 wurde auch die Schule abgerissen.
Während eine Seite der Stele mit Worten und Bildern von der Siechenkapelle, dem Siechenhaus und dem Schulhaus erzählt, ist die andere Seite der Geschichte der innerdeutschen Grenze in der Region
vorbehalten."
Dargestellt sind auch gelungene und gescheiterte Fluchten über den Dassower See.
Obwohl heute nichts mehr darauf hinweist, ist dennoch bei den Einheimischen dieser Straßenabschnitt als „Siechenhauskurve“ bekannt, da es in diesem Bereich vor dem Bau der A 20 zu zahlreichen Unfällen kam.

Zu der Kapelle gehörte auch ein nicht mehr gepflegter Friedhof mit noch drei sichtbaren Grabstätten, die direkt hinter den Leitplanken der Bundesstraße liegen.

Grabstätte Kopp

Familie Koth

Grabstätte Poth

Etwa 300 m hinter der "Siechenhauskurve" stößt man links auf einen ehemaligen 11 m hohen Führungsturm der DDR-Grenzsoldaten.

Führungsturm

Die Informationsstele am ehemaligen Standort "Siechenhaus" gibt auch hierzu Auskunft.


Das Ufer der Trave und insbesondere das am Dassower See war den DDR-Grenzschützern stets ein Dorn im Auge. So wurde z.B. der Grenzverlauf auf Karten gefälscht und das Seeufer bzw. der See geweißt, obwohl sich im See eine Insel befand. Topographische Kartenausgaben mit der Bezeichnung AS (Ausgabe Sicherheit) entsprachen der Realität, nicht jedoch diejenigen, die den Vermerk "AV-Karte" (Ausgabe Volkswirtschaft) aufwiesen.
 
fake-karte

Da die Transitstrecke F 105 Lübeck - Rostock (heute die Bundesstraße 105) direkt neben den Grenzsperranlagen verlief, war in diesem Bereich aus "Ostzonaler Sicht" eine besondere Bewachung incl. einem Sichtschutz dringend geboten. So errichtete man 1979 eine 3 Kilometer lange und 3 m hohe Sperrmauer, die vom DDR-Gebiet aus keinen Blick mehr auf den Dassower See ermöglichte. Alle Bäume entlang dieses Straßenabschnittes wurden dazu gefällt. Im Januar 1990 begann man mit der Demontage aller Grenzschutzeinrichtungen.

Radweg vor Dassow
Radweg vor Dassow

Auf dem Radweg, der heute wie die Bundesstraße wieder von einer Baumallee flankiert wird, geht man als Grenzwanderer weiter Richtung Dassow und passiert so nach gut einem weiteren Kilometer rechts die Zufahrt zur Ansiedlung Schwanbeck. Auch hier findet mam eine Stele der Aktionsgemeinschaft "Grenzenlos von Lübeck nach Boltenhagen".

Schwanbeck


Schwanbeck

Auch aus diesem kleinen Ort wurden 1952 im Rahmen der "Aktion Kornblume" 34 Personen zwangsweise ausgesiedelt. Viele verließen aufgrund einsetzender Repressalien - bis auf einen Großbauern -  alle diesen Ort und flüchteten in die Bundesrepublik. Die Folge: ihre Anwesen wurden abgerissen.

nach Dassow

Nun sind es nur noch 300 m bis zur Stepenitz, einem 52 Kilometer langen rechten Nebenfluss der Trave. Dieser mündet hinter der Brücke, die es zu queren gilt, in den Dassower See und damit in die Trave.
Die Brücke hieß im Volksmund "Dreiherrenbrücke", da bis 1918 am rechten Ufer der Stepenitz das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin und am linken Ufer das Fürstbischoftum Ratzeburg seine Grenze hatte. Der Dassower See gehörte zur Stadt Lübeck.

Blick von der Brücke in Dassow
Blick von der Brücke
auf die Mündung der Stepenitz in den Dassower See

Direkt hinter der Brücke links, dort, wo am Ufer des Dassower Sees einmal ein Beobachtungsturm stand, steht erneut eine der Erinnerungs-Stelen des Projekts „Grenzenlos von Lübeck bis Boltenhagen“. 


Aus ihr erfährt der interessierte Leser, dass auch in Dassow im Jahr 1952 18 Familien im Rahmen der "Aktion Kornblume" ausgesiedelt wurden und wie z.B. der Grenzverlauf das Leben der Fischer beeinflusste.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht in der mecklenburgischen Stadt Dassow das alte Gebäude des 1861 errichteten Hafenspeichers.

Alter Speicher

Nach langem Leerstand und einer zwischenzeitlich erfolgten Grundsanierung des denkmalgeschützten Speichers (insbesondere einer aufwendigen Neugründung der Fundamente in dem weichen Boden) wurden in dem Gebäude Ferienwohnungen und ein Festsaal eingerichtet. 
Ehe man nach rechts der Lübecker Straße in das Stadtzentrum folgt, passiert man eine hölzerne Statue. Sie symbolisiert die zwei "Riesenfrauen im Dassower See", die von dem Kettensägenschnitzer Roland Karl aus Dobra in Süd-Brandenburg im Jahr 2009 gestaltet wurden.

Riesenfrauen

Die Hinweistafel vor der Holzskulptur informiert den Passanten über die Sage.


Die Informationstafel zeigt auch die heutige Lage der Insel Buchwerder (roter Pfeil) im Dassower See.

Buchwerder

In der Stadt Dassow endet der heutige Wandertag. Wer Zeit und Muße findet, kann noch einen kleinen Stadtrundgang durch die an vielen Stellen liebevoll restaurierte Innenstadt unternehmen.

Zur 66. Etappe                        Zur 68. Etappe

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