Auf dieser Seite werden Cookies und andere Technologien genutzt. Cookie - Konfigurationsbox öffnen 1.364 km entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze: 68 - Von Dassow nach Priwall

68 - Von Dassow nach Priwall

Die heutige Wanderroute (12 km - 76 Höhenmeter)


Die hier beschriebene relativ kurze Tagestrecke führt den Wanderer in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, sondern stellenweise auch am "Grünen Band" Richtung Ostsee. 
Die Tour beginnt im Zentrum von Dassow und führt zuerst ostwärts zur Bundesstraße B 105. Dem ausgeschilderten Radweg folgt man Richtung Benckendorf.
Der Weg, dem man folgt, war ursprünglich einmal der Kolonnenweg. Heute sind jedoch in diesem Bereich keine Lochplatten mehr zu sehen; der Weg ist asphaltiert.
Nach 1,8 Kilometern erreicht man am Ortsausgang vom heutigen Dassower Ortsteil Kaltenhof die Kreisstraße K 45, die man quert, um ihr anschließend erneut auf einem Radweg Richtung Westen, Richtung Priwall, zu folgen.

K 45 Richtunf Priwall
Auf dem laubbedeckten Radweg Richtung Priwall.

Nach etwa 1,6 Kilometern erreicht man eine Kreuzung mit einer Bushaltestelle. An ihr biegt man nach links Richtung Benckendorf ab, das auf einem leicht abschüssigen Weg nach 500 m erreicht wird..

Nach Benckendorf

Auf der Schulstraße nach Benckendorf

Hier trifft man neben drei weiteren Häusern direkt auf das Gutshaus von Benckendorf.

Gutshaus Benckendorf

Das Gutshaus Benckendorf  ↗ wurde - so wie man es antrifft -  im Jahr 1743 erbaut und durch Erwerb 1808 in das in der Nähe befindliche Anwesen von Schloss Johannstorf integriert. Das denkmalschutzgerecht restaurierte und modernisierte Anwesen dient heute als Ferienhaus.
Steil ansteigend führt rechts ein kurzer Weg in den Wald, dem man folgt. Nach 700 m betritt man das ehemalige Gut Johannstorf
Zuerst wandert man durch den ehemals barocken Gutspark, in dem unterschiedliche Bepflanzungen trotz starker Verwilderung noch zu erkennen sind. Dann passiert man ein links liegendes Wirtschaftsgebäude, ehe man rechter Hand das ehemalige Wasserschloss sehen kann, das von 1739 -1743 erbaut wurde.

Nebengebäude im Gut Johannstorf

Wasserschloss Johannstorf

Von einer Informationstafel, die an der Straße nach Johannstorf steht, kann man entnehmen, dass der Ort bereits 1163 als Bauerndorf erwähnt wurde. Ab 1739 wurde auf einer kleinen Insel ein Herrenhaus errichtet, ein größerer Park befand sich hinter dem Haus. Die Familie Eckermann besaß und bewirtschaftete dieses Gut von 1782 bis zu ihrer Enteignung im Jahr 1945.
Auf den Ackerflächen  wurden vorwiegend Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben und Rotklee angebaut. Wiesen und Weiden dienten der Viehwirtschaft.
Nach dem Krieg nutzte die Gemeinde anfänglich das Gutshaus als Büro, Kindergarten, Konsum und Bibliothek, während im oberen Stockwerk Flüchtlinge einzogen. Auch das Volkskundemuseum nutzte die Räumlichkeiten als Lager.
Anfang der 1950er Jahre entstanden in der direkten Nachbarschaft Neubauten für Wohnungen von Neubauern, Stallanbauten und Feldscheunen. Die Bauern wirtschafteten zu Beginn alleine, doch Anfang der 1960er mussten alle Bauern in der DDR in die LPG eintreten und so wurde der ehemalige Gutshof zum Wirtschaftshof der örtlichen "Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG).
Nach einigen Jahren des Leerstandes wurde das Herrenhaus 1992 an einen Privatinvestor veräußert, der jedoch keine Maßnahmen zum Erhalt des Anwesens und des Zukaufs weiterer Gutsareale unternahm. Daraufhin wollte die Gemeinde gerichtlich einen Rückkauf erwirken, der jedoch in einem Vergleich endete. Darin verpflichtete sich der Eigentümer, bis zum Jahr 2018 sowohl am Schloss als auch an den Nebengebäuden umfangreiche Sanierungsarbeiten ↗ vorzunehmen.

Herrenhaus

Das Herrenhaus erhielt daraufhin zwar ein neues Dach und die Fassade wurde weitgehend instand gesetzt, aber ansonsten geschah nichts. Die Hofgebäude und das Torhaus verfielen weiter.
Auch der "Burggraben" um das Herrenhaus ist zwar noch vorhanden, doch mit Schilf zugewachsen und stark verwildert. Eine kleine Brücke über diesen Graben ist mit Holzzaun und Brettertor gesichert.
Quelle:  Dassower Hefte ↗

Privat

Der Weg über das Kopfsteinpflaster zwischen den alten, mittlerweile mit hohen Gras, Brombeerenhecken und kleinen Bäumen umwachsenen Viehställen ist als Fahrradweg gekennzeichnet. 

Gut Johannstorf
Bäume verdecken das ehemalige linke Wirtschaftsgebäude

Gut Johannistorf

Gut Johannistorf Torhaus
Das ehemalige Torhaus - 1910 letztmalig restauriert

Torhaus

Wie das Wasserschloss, das Herrenhaus von Johannstorf, einmal ausgesehen hat, erfährt man von einem Foto auf der Informationstafel vor dem Torhaus.

Herrenhaus

Auch sein Inneres wies dem Bau entsprechend ein "gehobenes Ambiente" auf.

Treppe Herrenhaus Johannstorf
Quelle: Infotafel vor Ort

2008 diente das Schloss und das Hofgelände als Kulisse für die Dreharbeiten des Schwarzweißfilms "Das weiße Band" ↗, dessen Handlung im Jahr 1913 in Norddeutschland spielt.
Vor 13 Jahren also war der komplette Innenhofbereich noch komplett bewuchsfrei!

Nachdem man das Torhaus des Guts Johannstorf verlassen hat, geht man auf der Seestraße geradeaus weiter nach Johannstorf, Volkstorf.

Seestraße

Johannstorf
Johannstorf

Auf der kopfsteingepflasterten Straße durchquert man die wenigen Häuser von Johannstorf und kommt nach weiteren 1,3 Kilometern zu den wenigen Häusern von Volkstorf. Dieser Ort hatte Anfang 1950 12 Höfe, die jedoch alle nach 1952 in der 5 Kilometer-Sperrzone der DDR lagen. Zwangsweise ausgesiedelt wurde niemand, doch Schikanen führten zu freiwilliger Abwanderung. Verlassene Anwesen wurden sofort abgerissen.
Hinter der Ansiedlung macht die Straße einen Rechts-Links-Schwenk. Folgt man dieser Straße weiter nach Westen, passiert man eine Informationsstele, die über das Schicksal von Volkstorf berichtet.
Etwa 400 m hinter der Stele hält man sich rechts auf dem vorübergehend leicht ansteigenden Weg durch offenes Feld. Einen weiten Blick hat man vor dieser Stelle auf den Zusammenfluß von Trave, Pötenitzer Wiek sowie dem dort beginnenden Dassower See. Selbst den Scandinavienkai und das Maritim-Hotel in Travemünde kann man bei schönem Wetter ausmachen.
Bald danach erreicht man wieder Wald, in dem sich noch Ruinenreste des ehemaligen Luftzeugamts Pötenitz  (1936 - 1945) befinden. Die Anlagen wurden zwar nach erfolgter Demontage 1947 von der russischen Armee gesprengt, doch es wird dringend empfohlen, den Weg nicht zu verlassen, da nicht nur die inzwischen von der Natur überwucherten Trümmerreste Gefahren bergen. So ist auch nicht sichergestellt, ob in diesem Bereich alle Minen aus DDR-Zeiten beseitigt werden konnten.
Im nahen Umfeld gab es eine Erprobungsstelle des Reichsverbundes der deutschen Luftfahrtindustrie für Wasser- und Amphibienflugzeuge. So existierte z.B. nahe der Ufer der Pötenitzer Wiek bereits ab 1938 ein simuliertes Flugzeugträger-Landedeck mit Seilfanganlage zur Erprobung von Träger- und Flugzeuglandungen.

Nach nur wenigen Metern durch dichten Wald passiert man einen ehemaligen Führungsturm der DDR-Grenzsoldaten.

Führungsturm

An einer Außenwand hängt ein Schild mit der Aufschrift „Amateurfunkzentrum Drei Birken“. Die Funker zogen Anfang der 1990er in den Turm ein, blieben allerdings nicht lange. Immer wieder brachen Diebe und Randalierer ein, so dass die Funker aufgaben.
Einst war dieser Grenzturm kilometerweit zu sehen. Weit und breit um ihn herrschte freie Sicht. Derzeit liegt er zugewachsen und versteckt in einem Naturwäldchen, das Dank Naturschutz seit dem Fall der Mauer ("Grünes Band") entlang des früheren Grenzstreifens wächst und gedeiht wie es will.

Führungsturm

Nur wenige Meter sind es auf dem Waldweg bis zur Straße K 45. Hier sieht man rechts einen großen "Stein" liegen, der vermutlich Teil des Haupteingangs des ehemaligen Luftzeugamts Pötenitz ↗ gewesen sein könnte.
Nach links gehend folgt man nun neben der Mecklenburger Landstraße einem schmalen Weg bis zum "Dassower Strandzugang"; dort findet man eine weitere Gedenkstele des Projekts "Grenzenlos von Lübeck bis Boltenhagen" sowie den Wegweiser, der nach rechts Richtung Boltenhagen weist.

Nach Boltenhagen

Die Gedenkstele informiert:
"Sie stehen hier unweit des westlichsten Punktes der 521 km langen, ehemaligen Seegrenze der DDR  -  zugleich der nördlichste Punkt der rund 1377 km langen innerdeutschen Grenze".

Priwall

Als "Grenzwanderer", der bisher die gut 1.360 Kilometer der ehemaligen innerdeutschen Grenze abgelaufen ist, kann man sich die weitere Beschreibung noch einmal Revue blickend in Erinnerung rufen.

Text aus obiger Stele entnommen

Zuerst baute man einen hölzernen Überwachungsturm, 1969 entstand ein aus Betonfertigteilern gefertigter runder Beobachtungsturm, der später durch einen viereckigen Turm erstetzt wurde.

Pfeil = Standort heute
Foto: entnommen aus obiger Stele

letzte Rast

Wenige Meter weiter nördlich kann man als Grenzwanderer noch einmal eine letzte Rast auf dem Weg einlegen, der einen vom bayerischen Hof bis nach Priwall an die Ostsee geführt hat. Rechts neben dem Betonweg und dem Holzzaun befand sich die große Freifläche für den Führungsturm der Grenzsoldaten der DDR.
Die letzten Meter des Weges vor bis zur Ostsee bestehen nur noch aus weichem Sand.

Ostseeblick

An der Ostsee

Von hier, dem Ufer der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern, kann man das Maritim Strandhotel in Travemünde sehen. Zur Zeit der Grenzziehung hatten diesen Blick nur einige Grenzsoldaten.

Als am 03.02.1990 auch an dieser Stelle die innerdeutsche Grenzbefestigung ihre Gültigkeit verlor, mussten die grenznahen Bewohner von hier durch den Strandsand Richtung Westen "stapfen", da es keine offizielle Landverbindung gab. Diese wurde über die Mecklenburger Landstraße erst am 12.04.1990 eingerichtet, zuerst nur für Fußgänger und Radfahrer.

Nun, hier steht man ja immer noch auf ehemaligem DDR-Gebiet; um also direkt zur Grenze zu gehen, kann man entweder Richtung Westen am Sandstrand entlang gehen oder, wie hier beschrieben, die 200 m auf dem selben Weg wieder zurück bis zur Mecklenburger Landstraße. Dort orientiert man sich rechts und läuft 300 m zwischen Straße und Kiefernwald vor bis zur eigentlichen Grenze, heute die zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

Hier trifft man auf einen vom "Gemeinnützigen Verein zu Travemünde e.V." zum 5. Jahrestag der Grenzöffnung am 03.10.1995 aufgestellten Gedenkstein, der an die Teilung Deutschlands erinnern soll.
Kurios: seine Aufstellung mußte auf Mecklenburger Gebiet geschehen, da die Lübecker Behörden Probleme mit der Aufstellgenehmigung sahen.

Gedenkstein Priwall
Nie wieder geteilt
Das Wappen von Travemünde und Mecklenburg

Auch 15 Jahre später war es wieder einer Privatinitiative ↗ zu verdanken, dass dieser Gedenkstein nicht von der Natur überwuchert und vom "Grünen Band" verschlungen wurde.

Neben diesem Gedenkstein wurde auch eine Informationstafel aufgestellt, die von den damaligen Ereignissen (Grenzsituation / Grenzöffnung) in Bild und Text unterrichtet.

Infotafel

Gedenkstein
Nach 68 Tagesetappen und 1364 Wanderkilometern hatte ich
von Hof kommend diesen Gedenkort an der Ostsee erreicht.

Etwa 20 m weiter rechts führt ein Fuß- und Radweg nach rechts enlang der links befindlichen Wochenendhaussiedlung und rechts der ehemaligen Grenzziehung.

Ursprünglich existierte nur ein einfacher Draht, der nach 1945 die neue Grenze bildete. Die Grenze war kaum bewacht. Anfang der 1950er Jahre ersetzte jedoch ein Stacheldrahtzaun den Draht, der damals parallel zu dem heutigen Strandzugang am Ende der Ferienhaussiedlung verlief, etwa 50 Meter hinter der tatsächlichen Grenze. Am Strand markierten in den Sand eingerammte Holzpfähle die Grenze, später waren es Grenzrichtbarken ↗. Mit dem Ausbau der Grenze an der kompletten innerdeutschen Grenze kamen auch hier ALLE Befestigungselemente zur Anwendung und durch Abholzen entstand ein "Schutzstreifen".

Diesen Weg entlang der ehemaligen Grenze kann man derzeit leider nicht geradeaus weiter gehen, sondern muss auf dem Seeweg der Wochenendhaussiedlung in einem Links-Rechts-Schwenk hinunter zum Strand. In der Zeit vom 15. Mai bis 14. September wird derzeit an dem Strand­abschnitt (FKK-Priwallstrand) eine Benutzungs­gebühr erhoben.

links herum

Wo das Festland in das Wasser der Ostsee übergeht, findet man den letzten Grenz-Hinweis auf der langen Reise von Hof bis zur Ostsee. Badegäste an diesem FFK-Strand auf dem Priwall hängen ihre
nassen Badesachen zum Trocknen auf den Zaun, der das Naturschutzgebiet abgrenzt; zwischen 1950 und 1989 durfte hier keiner seine Badesachen auspacken.

Stele an der Ostsee

Würde nicht mittlerweile an diesem Strandabschnitt (wieder zehn Meter östlich von der Landesgrenze auf Mecklenburger Gebiet) auch eine Stele von dem Projekt "Grenzenlos von Lübeck bis Boltenhagen" stehen, würde ein Badetourist auf dem Priwall nicht wissen, dass genau hier einmal eine unmenschliche Grenze verlief und viele Fluchtversuche scheiterten.

Aber selbst das Aufstellen dieser Stele ↗ im Sommer 2018 war mit Hindernissen verbunden. Da ganz in der Nähe das Ostseekabel verläuft, das die Stromnetze von Schweden und Deutschland verbindet und eine Munitionsrückstandsprüfung durchgeführt werden musste, verzögerte sich ihre Aufstellung.
Und nicht zuletzt wurde sie ja auf Sand gebaut. Einen Meter tief ist der Beton des Fundaments, damit die Stele auch bei Hochwasser an ihrem Platz bleibt.

Stele Priwall Strand

Überwachung

Ein letzter Rundumblick - und, da steht ja doch noch ein Beobachtungsturm, und das auf dem Gebiet von Schleswig-Holstein. Er dient allerdings den Rettungsschwimmern als Ausguck an diesem von ihnen überwachtem Strandabschnitt.

Eigentlich ist an dieser Stelle die Beschreibung dieser Tagesetappe mit dem Erreichen der Ostsee zu Ende, aber auf der Suche nach einem Restaurant bzw. einer Übernachtungsmöglichkeit muss man diese private Feriensiedlung wieder verlassen und zurück auf die Mecklenburger Straße gehen.
Man kann ihr bis zur Fähre folgen, die nach Travemünde übersetzt, denn mit der Teilung Deutschlands mussten sich auch die Bewohner von Priwall mit der neuen Situation arrangieren. Da der einzige Landweg gen Osten wegen der „Zonengrenze" gesperrt war, blieb ihnen nur noch die Fährverbindung nach Travemünde.

Travemünde
Blick vom Fähranleger Priwall auf Travemünde


Während der Zeit des Wartens auf die nächste Fähre querte ein Schiff die Trave an dieser Stelle. Ihr Name lautete "Große Freiheit".

Welch ein symbolträchtiger Name zum Abschluss einer tief beeindruckenden Wanderung entlang einer ehemals menschenverachtenden Grenze mitten durch Deutschland.



Zur 67. Etappe                        Zur 01. Etappe


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